Da sind wir nun: in der Millionenstadt am Bosporus.
Nun können wir auf die Frage wohin wir wollen nicht mehr antworten: Erstmal nach Istanbul und dann mal schauen…
Ohne es jemals als Ziel oder Zwischenziel definiert zu haben, war es doch immer ein Punkt auf der Reise, der allen eine Vorstellung gab wohin und wie weit es gehen soll. Nun sind wir hier und stellen fest: es kann ruhig noch weiter gehen mit unserer Tour.
Bevor es aber weiter geht, waren wir nun ein paar Tage in der Stadt und haben uns ins Getümmel gestürzt. Hier gibt es eine Schilderung der Eindrücke aus Istanbul.
Nach Istanbul
Als Tipp liest man häufiger, dass man auf keinen Fall mit dem Fahrrad durch Istanbul fahren sollte. Als Radreisender sollte man die Stadt möglichst weiträumig umgehen, oder wenn dann mit U-Bahn oder Bus in die Stadt rein fahren. Ein Einheimischer hat uns gar gesagt, dass der einzig sichere Weg der aus der Luft sei. Kurzzeitig haben wir also tatsächlich darüber nachgedacht nicht hierher zu fahren. Wir sind aber sehr froh, dass wir auf keinen der Tipps gehört haben. Wenn wir eins bisher auf der Reise fürs Leben gelernt haben dann, dass man sich immer selber ein Bild machen muss.
Wir hatten natürlich Respekt davor nach Istanbul reinzufahren. Letzten Endes war es aber wirklich nicht schlimm. Wir hatten tatsächlich schon schlimmere Abschnitte und Straßen. Um heile in die Stadt zu kommen, haben wir die Letzten 90 km in zwei kürzere Etappen geteilt, die den Stressfaktor möglichst gering halten sollten. Das hat sehr gut funktioniert.
In der letzten Unterkunft vor den zwei Etappen haben wir die beiden Italiener wiedergetroffen, mit denen wir uns sehr gut verstanden haben, sodass wir beschlossen gemeinsam zu fahren. Als critical mass von vier Menschen dachten wir, fallen wir vielleicht auch mehr auf und keiner kann uns so leicht im Verkehr ignorieren.
Die erste Etappe sind wir nachmittags gefahren, um der Mittagshitze zu entgehen. Da in diesen Tagen gerade das höchste Islamische Fest, das Opferfest, gefeiert wurde, waren sehr viele Menschen (und Autos) in den Vororten von Istanbul am Strand. Um dem Abschnitt ohne Seitenstreifen auf der 4-spurigen Hauptstraße zu entgehen, haben wir uns für parallel führende Seitenstraßen entschieden. Diese Seitenstraßen waren aber alle mehr oder weniger Zubringer zum Strand. Und diese Zufahrtsstraßen zum Strand waren quasi alle verstopft. Auf beiden Seiten der Straße wurde geparkt, sodass in der Mitte nur eine Spur frei war, auf der aber aus beiden Richtungen Autos kamen.
Mit dem Fahrrad konnten wir uns aber recht gut an allen vorbei mogeln. Allerdings gab es auf der Etappe unerwarteter Weise auch ein paar knackige Anstiege und der Trubel aus Menschen, Autos, Tumult und Gehupe war am Ende dann auch ausreichend für eine Etappe. Abends am Schlafplatz wurden wir dafür mit einem fantastischen Sonnenuntergang mit Blick auf die Stadt belohnt.
Am nächste Morgen sind wir um 4 Uhr aufgestanden, um dem Verkehr in der Stadt möglichst zu entgehen. Das hat ebenfalls sehr gut funktioniert und wir hatten die Nebenstraßen quasi für uns allein. Das war auch gut so, denn es gab wieder ein paar extrem steile Anstiege, die wir in Serpentinen fahren mussten. Ohne Autoverkehr war das auch kein Problem. Auf dieser Etappe konnten wir dann der 4-spurigen Hauptstraße nicht mehr ausweichen und mussten einige Kilometer darauf zurücklegen. Aber auch das ging zu dieser Uhrzeit aber noch relativ gut. Einzig gefährlich sind (wie ja eigentlich überall) die skrupellosen Busfahrer, die einen überholen nur um dann vor einem anzuhalten. Oder die angefahren sind und es tatsächlich geschafft haben sich zwischen uns 4 zu drängeln, obwohl wir dicht hintereinander gefahren sind. Aber sobald man das weiß kann man sich entsprechend anpassen und auf Busse im Besondere achten.
Der Verkehr, vor dem auch immer wieder gewarnt wird, ist im Allgemeinen gut händelbar, wenn man einfach fährt. Man sollte keinesfalls den Fehler begehen und versuchen mögliche Regeln zu erkennen oder an Kreuzungen gar anzuhalten, um irgendwem den Vortritt zu lassen. Das ganze System basiert darauf einfach zu fahren, dann passiert tatsächlich auch meistens nichts. Das klingt vielleicht komisch, aber es funktioniert unerwarteter Weise ziemlich gut. Und es ist immerhin noch so, dass auf den Straßen die Fahrzeuge auf den entsprechenden Spuren in die selbe Richtung fahren. Da gibt es vermutlich noch krassere Länder und Städte, in denen das ganz anders ist. Daher kommen wir bisher sehr gut zurecht. Selbst in Istanbul.
Die letzten 15 km in der Stadt gab es dann sogar Radwege an der Küste entlang und wir konnten die Skyline der Stadt immer größer werden sehen. Die letzten Kilometer waren wirklich unfassbar schön. Wir konnten gar nicht genug davon bekommen die Schiffe und die Stadt im Hintergrund anzuschauen. Sehr erhebend irgendwie.
Gegen 9:30 Uhr kamen wir dann unversehrt und glücklich an unserer Unterkunft an.
In Istanbul
In Istanbul ist es cool. Reimt sich sogar. Stimmt aber einfach auch. Die Stadt hat einfach ein besonderes Flair, was sich nur schwer beschreiben lässt. Vormittags ist wenig los, nachmittags dagegen aber sehr viel. Wenn man also von A nach B kommen muss, sollte man das vor 12 Uhr erledigen. Unser erstes Ziel war es einen Fahrradladen zu finden, der uns unsere verschlissenen Ketten und Ritzel wechseln konnte. Sobald wir das erledigt hatten, sollte der Touriteil des Aufenthalts folgen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Ersatzteile
Radladen haben wir gefunden, Ketten, Ritzel und Bremsscheiben sind gewechselt. Wir sind also für die nächsten paar Tausend Kilometer gewappnet. Dafür sind wir mit den Rädern sogar mit der Fähre auf die asiatische Seite der Stadt gefahren. Zurück ging’s dann mit der U-Bahn durch den Tunnel.
Öffis
Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man in Istanbul generell sehr gut zurecht. Busse und Bahnen fahren sehr häufig und zuverlässig und man kommt schnell überall hin. Eine Fahrt (egal wie weit) kosten umgerechnet ca. 30 Cent. Nur ab 0:00 nachts wird es schwierig. Da fahren nur noch Taxis. Aber auch die sind wirklich nicht teuer. Mit dem 9 € Ticket würde man hier auf jeden Fall auch eine Weile durch die Gegend fahren können. Wir haben zufällig immer mal unterschiedliche Buslinien genommen, was uns einen wunderbaren Einblick in verschieden Viertel gegeben hat. Wir haben quasi unsere eigene Hop on, Hop off Bustour gemacht.
Tiere
Was sofort auffällt, wenn man in Istanbul ist sind die Katzen. Sie sind einfach überall. Während es in den Dörfern die Hunde sind, die überall rumlaufen, sind es hier die Katzen. An jeder Ecke gibt es aber auch Futternäpfe und Wasserschalen. Die Katzen gehören niemandem und trotzdem werden sie sehr gut versorgt. Oft sieht man auch richtige Hütten, die es extra für sie gibt. Auch im Verkehr werden sie sehr umsichtig behandelt. Wenn gerade eine Katze über die Straße läuft (ganz gemächlich natürlich) wird angehalten. Natürlich wird sie auch angehupt, aber es wird erst weitergefahren, wenn sie auf der anderen Seite ist.
Uns wurde erzählt, dass es im Islam sehr viele Geschichten gibt, die man von klein auf erzählt bekommt, die von der Großherzigkeit gegenüber Tieren berichten. So soll es mal einen Sultan gegeben haben, auf dessen Gewand sich eine Katze gelegt hat. Als der Sultan aufstehen musste, hat er zuvor das Stück seines Gewandes auf dem die Katze schlief abgeschnitten, um sie nicht zu wecken.
Hunde gibt es auch einige. Auch die haben hier ein sehr gutes Leben. Sie liegen oft vor Läden oder Restaurants herum, wo sie immer mal etwas abbekommen. Sie sind definitiv alle sehr gut genährt. Insgesamt prägen die Katzen das Stadtbild aber deutlich mehr. Selbst in den dichtesten Menschenmengen sieht man immer irgendwo eine Katze. Richtig verrückt.
Sightseeing
Lohnt sich definitiv. Die Moscheen sind RIESIG. Je dichter man kommt, desto größer werden sie. Und wenn man sie betritt und von innen sieht, sind sie gefühlt noch einmal größer. Diese Bauten sind wirklich erhaben und haben unsere Kinnladen nach unten fallen lassen.
Die bekannte Blaue Moschee und die Hagia Sofia stehen sich auf einen Platz gegenüber. Auf diesem Platz kann man den ganzen Tag sitzen und das Treiben auf sich wirken lassen. Überall sind Menschen und bewundern die Bauten. Alle machen Fotos, es gibt lauter Stände, die Maiskolben und Maronen verkaufen, zwischen den Menschen liegen äußerst fette Straßenhunde und ab und zu läuft auch eine Katze vorbei. Insbesondere abends zur blauen Stunde kann man nicht genug vom Anblick der Gebäude mit den Kuppeln und Türmen bekommen. Es ist wirklich einfach wunderschön.
Auch die klassischen Touristenviertel sind wirklich schön. Überall kleine Gassen mit vielen bunten Ständen, die unterschiedlichste Sachen verkaufen. Überall Menschen und überall ein schönes Treiben.
Zu Istanbul gehört immer auch das Wasser. Somit auch Brücken, Fähren und Ufer mit dem entsprechende Trubel dazu. Die Schiffe bringen Einheimische und Besucher von Europa nach Asien, auf den Brücken wird geangelt und davon heruntergesprungen, am Ufer gibt es Musiker oder Tänzer, noch mehr Angler und Menschen, die Baden oder sich sonnen und überall sind Möwen, die auf einen Fisch oder Brot warten.
5x täglich gibt es den Ruf des Muezzins. Jede Moschee hat seinen eigenen Muezzin, der über das Minarett zum Gebet ruft. Und ja, es ist immer live und der Ruf erklingt von allen Moscheen gleichzeitig. Auch das gehört zum Stadtbild einfach dazu wie bei uns die Kirchenglocken. Genauso dazu gehört das konstante Hupen des Verkehrs. Irgendwer hupt immer irgendwen an. Manchmal ist es ein „Achtungshupen“, manchmal ein genervtes und manchmal auch ein vorausschauendes. Auf jeden Fall viel das ist wichtig. Es ist also nicht leise.
Insgesamt war der Trubel bisher aber nicht nervig, wie wir es erwartet hätten. Wir sind auf jeden Fall glücklich, dass wir nirgends hinhetzen müssen und keine Termine haben. Stattdessen können wir fasziniert auf das Gewusel schauen und die Eindrücke in uns aufnehmen.
Kurzum, man muss hier gewesen sein und es selbst einmal erleben! Wirklich, Istanbul ist richtig cool!
Respekt mein lieber 🙂
Ganz lieben Gruß aus der Heimat …
mfg
Simon
Ich seh‘ schon, das wird ’ne Weltumradelung – ihr könnt jederzeit damit aufhören :o) … jederzeit … :oD
… leben die Pfauen da wild? Um das Jeveraner Schloß gibt’s auch welche, die ganz gerne die Balkone der Umgebung okkupieren, die sind fast handzahm :o)
Gerade wieder durch die Bilder gezappt …
… langärmelig? Dick eingemummelt?!? Da unten?!?!? 8oO Ich überleg‘ mir hier schon, mich noch zu rasieren, und ihr müßt die Steppjacken rausholen? Da werd‘ ich fast ein bißchen neidisch …
Wo sind die aus den Felsen gehauenen Anlagen? Da schlägt direkt mein Hobbyhistorikergen Alarm :oD
Google doch mal Midas Stadt, da wirst du sicherlich einige Infos zu finden. Die Region ist definitiv eine viel zu selten erwähnte Gegend, wenn es um die Türkei geht. Es ist dort wirklich wunderschön und vor allem recht hoch gelegen, daher die langen Sachen morgens. Nachts wird es nämlich ziemlich frisch.
Hallo,
bin selbst gerade zurück aus meinem Urlaub. Und Jippie, ein neuer Bericht den man sich vorlesen lassen kann 😉
Ride on,
Jörg
Ihr wisst gar nicht wie sehr wir uns darüber freuen, dass sich so viele Leute zuhause über unsere Beiträge und Fotos freuen. Vielen Dank dafür!
Hat schon mal einer geguckt was die türkischen Ortsnamen auf deutsch bedeuten?
1.) Süloglu – Puffer
5.) Fatih – Eroberer
6.) Nilüfer – Lotus
Bursa – Schleimbeutel
11.) Han – Gasthaus
Yapildak – Faserplatte
12.) Gebeceler – sie sind schwanger
13.) Terziler – Schneider
14.) Dedecam – mein Großvater
Ihr seit meine Bettlektüre ….ich finde eure Berichte richtig toll….schön ,dass wir sie lesen dürfen. Ich freue mich schon auf weitere Berichte.Eike war vor ganz vielen Jahren auch in der Türkei er folgt euch auch.Liebe Grüße Ingrid und Eike