Nächstes Level: Türkei

Die Türkei ist auf fast allen Ebenen unserer Reise das nächste Level.

Bisher gab es hier:

  • Die größte Gastfreundlichkeit
  • Den meisten Tee
  • Die größten Hunde
  • Die längste gefahrene Etappe
  • Die Etappe mit der längsten Zeit im Sattel
  • Die meisten gefahrenen Höhenmeter pro Tag
  • Die steilsten Straßen
  • Die kältesten Nächte
  • Die günstigsten Lebensmittel
  • Die vermüllteste Straße
  • Die meisten Geschenke
  • Den höchsten Punkt der Tour
  • Die größten Straßen
  • Die pieksigsten Pflanzen
  • Die größten Städte
  • Die erste Strecke, die wir bergab geschoben haben

Die Türkei hat uns vom Grenzübertritt an mit einer Freundlichkeit auf einem andere Level  begrüßt. Es ist bisher kaum ein Tag vergangen, an dem wir nicht zu irgendetwas eingeladen wurden. Einen Tee gibt es eigentlich immer, manchmal auch Brot und Wurst dazu bzw. gleich ein ganzes Frühstück oder einen Energiedrink vor einem kleinen Einkaufsladen und wenn man Obst und Gemüse kauft, gibt es eigentlich immer etwas umsonst dazu. Die Menschen sind ungemein nett, freundlich und interessiert. Dabei meistens sehr höflich und angenehm. Natürlich gibt es auch Außnahmen, die sind aber doch eher selten.

Seit wir aus Istanbul losgefahren sind gab es einige Höhen und Tiefen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es ging so gut wie nie einfach nur geradeaus. Entweder ging es hoch oder runter. Die Etappen waren die bisher anstrengendsten der Tour, die uns ordentlich gefordert haben. Am Ende vielleicht auch ein wenig überfordert, aber dazu später mehr.

Nachdem wir mit der Fähre das Marmarameer überquert hatten, ging es sofort wieder steil los.  Die Straßen in den Städten hier sind zum Teil so steil, dass selbst Schieben schwierig wird. Und wenn man es schafft zu Fahren, dann darf man unter keinen Umständen aufhören. Denn dann ist das Anfahren danach quasi unmöglich. Noch dazu kam, dass wir eine 3 Millionenstadt durchqueren mussten und uns einen Zeltplatz ausgesucht hatten, der auf einem Berg lag. Unsere wohl erholten Muskeln mussten also schon auf den ersten 30 km wieder alles geben. Und auch in den kommenden Tagen sollte das so bleiben. 

Tief
Die nächsten 2 Tage waren dann nicht nur körperlich sehr anstrengend, sondern auch mental. Die Straßen blieben weiterhin sehr steil auch außerhalb der Städte. Auf manchen Abschnitten war die Straße jedoch zu stark befahren, als dass man entspannt in Serpentinen hätte fahren können. Das ist auf Dauer immer extrem Kraft- und Nervenraubend. 

Noch dazu kam, dass extrem viel Müll am Straßenrand herumlag. Oft ist das nicht einmal böswillig, sondern soll den Straßenhunden als Futter dienen. So liegen also überall Nahrungsmittelreste herum, die entsprechend vor sich hin stinken. Und obendrauf kommen dann auch noch die unzähligen Hunde, die einfach immer und überall sind. Wir haben bisher keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht. Dennoch ist der Anblick oft wirklich nicht leicht. 

Der steile Anstieg, der Müll und die Hund waren fürs Wiederreinkommen ein bisschen viel. Nachdem also ein paar Tränchen verdrückt wurden, fand sich aber am Ende des Anstiegs (natürlich) ein Çay-Stand und schon war die Welt wieder ein bisschen besser. 

Çay ist schwarzer Tee und wird hier immer und überall zu jeder Tag- und Nachtzeit getrunken. Es gibt sogar spezielle Wasserkocher dafür. Die haben keine Deckel, sondern stattdessen eine weitere Kanne oben drauf stehen. In dieser Kanne wird extrem starker Tee angesetzt und dann mit dem heißen Wasser aus dem Wasserkocher immer verdünnt. 

Hoch
In der Türkei gibt es viele sogenannte Piknik-Alanis. Das sind meistens recht groß angelegte Anlagen mit vielen Bänken, Tischen, gemauerten Grillmöglichkeiten sowie Sanitäranlagen und Spielplätzen. Im Grunde sind es Ausflugsziele in der Natur. Die Anlagen sind frei zugänglich und werden auch gerne und viel von allen möglichen Menschen genutzt. Vor allem lässt es sich dort auch hervorragend übernachten, denn es gibt alles was man braucht: Wasser, Strom, Schatten. Auf den ersten Etappen waren diese Alanis Gold wert und haben die Stimmung deutlich angehoben. Wir sind großer Fan und finden, dass alle Parkanlagen in Deutschland auch so ausgestattet werden sollten!

Nachdem die ersten 2 Etappen nach der Fähre also nicht so schön waren, wurde die Landschaft danach wahnsinnig schön. Es ging durch wunderschöne Ebenen, die mit Büschen durchsetzt sind, durch die schönsten Kiefernwälder, über Bergkämme und durch Bergtäler bis hin zu Felsformationen, in die Menschen schon vor Jahrtausenden Höhlen und Monumente geschlagen haben (Midas-Stadt). Während die üblichen Urlaubsziele in der Türkei von Touristen völlig überlaufen sind, ist diese Region in unseren Augen völlig unterschätzt. Aber auch hier ist es vielleicht gerade deshalb so schön, eben weil sich nicht viele Menschen auf den Weg dorthin machen und wir somit wieder einmal in den Genuss von menschenleeren geschichtlichen Highlights gekommen sind.

Highlight
Als wir die Felsenmonumente in Midas-Stadt anschauten, wurden wir bei unserer Çay-Pause eingeladen in einem Ferienhaus von 2 Ehepaaren zu übernachten. Da wir uns eh nicht so richtig sicher waren, ob wir noch viel weiter fahren wollten, sagte wir zu und kamen in den Genuss der türkischen Gastfreundlichkeit. Wir wurden quasi hofiert. Es gab das beste Essen seit langem, sehr traditionelles noch dazu. Uns wurde ein Bett bereitet und wir durften unsere Sache waschen (mit einer Waschmaschine!!!). Die beiden Frauen haben uns alles von de Lippen abgelesen und sobald unsere Teller auch nur im Ansatz leer waren, wurde mehr Essen gebracht. Einzig die Kommunikation war über den Abend ein wenig schwierig, da wir so gut wie kein Türkisch sprechen und die 4 ausschließlich. Dank des Google Übersetzers und eines Bruders, der recht gut englisch sprach, konnten wir uns aber doch ganz gut verständigen und hatten einen der schönsten Tage der bisherigen Reise.

Und um noch einmal das Level an Herzlichkeit zu beschreiben: Am nächsten Tag wurde uns noch Wegproviant mitgegeben und eine Thermoskanne mit Tee, damit wir auch wirklich gut versorgt sind. Unglaublich nett diese Menschen!

Tief
Nach den Felsen ging’s noch einmal ordentlich hoch. Diesmal über einen Berg, der wie viele Berge in der Türkei, vom Abbau gefährdet sind. Also wirklich, die bauen ganze Berge ab! Auf unserem Weg haben wir schon viele Tagebauten gesehen, die von einem unvorstellbar riesigen Ausmaß sind. Wir sind uns nicht ganz sicher, was genau dort gefördert wird, vermutlich tatsächlich einfach Gestein. Zumindest sind die LKWs immer beladen mit riesigen Felsbrocken. Während der Fahrt verlieren sie eine Menge Staub, der sich auf die ohnehin eher schlechten Straßen oder Schotterwege legt. Mit dem Fahrrad werden diese Wege dann eine echte Herausforderung. So sehr, dass wir tatsächlich auch bergab schieben mussten. Der lose Staub auf grobem Schotter ist einfach zu unvorhersehbar. Die Reifen versinken und lassen sich quasi nicht mehr steuern und nach einem kleinen Sturz, wurde dann doch lieber aufs Fahren verzichtet. Unten angekommen sind wir trotzdem.

Hoch
Nach diesem Bergbauschotterstraßenwahnsinn waren wir  in einer neuen Landschaft angekommen. Den Wald mussten wir zurücklassen und blickten nun auf endlose Weiten voller Berge. Diese Weite lässt sich nur schwer in Worte fassen. Am besten lässt es sich vermutlich damit beschreiben, dass es so aussieht wie in der Prärie oder im „wilden Westen“ von Amerika. Wenn man von oben auf die Landschaft schaut braucht man auch erst einmal ein paar Momente, um die den Anblick zu verarbeiten. Unsere Augen habe so etwas zumindest noch nie gesehen und waren ziemlich beeindruckt. 
Vorteil an dieser offenen und nun fast baumlosen Landschaft: man kann weit gucken. 
Nachteil: man kann weit gucken…

Während man von Hügel zu Hügel fährt, kann man sich gar nicht satt sehen an den sich ständig ändernden Bergen und Ausblicken. Am Ende eines Tages kann das auch schon mal schwierig werden, wenn man weiß bis wohin man noch kommen will aber grundsätzlich sind wir sehr beeindruckt. Selbst unseren bisher steilsten Anstieg auf 10 km haben wir recht euphorisch gemeistert, einfach weil wir die ganze Zeit in die Ferne gucken konnten. Und je höher man kommt, desto besser wird die Aussicht. Und das obwohl wir uns bei dem Anstieg hart verkalkuliert hatten. Wir wollten den gerne am Vormittag geschafft haben, jedoch brauchten wir  deutlich länger bis dorthin als vermutet. Und so mussten wir das Ganze mit 50 km in den Beinen in der Nachmittagshitze absolvieren. Aber nicht einmal das konnte uns die Laune verderben. Es war hart aber herrlich!

Tief
Die Anstrengung der letzten Tage ging jedoch leider nicht spurlos an uns vorbei und wir fingen uns beide eine fette Erkältung ein. Vermutlich ein Mix aus Überanstrengung und zu viel Wind auf schwitzigem Körper. Zunächst traf es nur die eine, dann jedoch auch den zweiten. Und nun haben wir sogar erstmalig einen Bus genommen, um in den nächst größeren Ort zu kommen und uns hier ein paar Tage auszukurieren. Da heute aber immerhin schon wieder das Schreiben eines Blogeintrags möglich war, geht es also bergauf. Bzw. hoffentlich auf den nächste Etappen erstmal wieder etwas mehr bergab…

Mal schauen, es kommen wohl recht sonnige und heiße Tage ohne Schatten auf uns zu. Da ist die Motivation tatsächlich erstmalig nicht so wahnsinnig hoch. Allerdings wartet Kappadokien noch auf uns. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Mal schauen ob und wie wir dort hinkommen.

Kurze Frage ans Plenum: Vermisst jemand die Etappenberichte?

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare

  1. Jörg Petersen

    Was für eine Frage, natürlich haben wir sie vermisst. Eigentlich hatte ich mir schon Sorgen um euch gemacht, dann sagte mir aber Florian, dass ihr eine Erkältung habt. Und dazu sagte er mir, dass Johannes etwas geschrieben hat, wofür man Insider-Wissen braucht. Da wusste ich, es geht euch gut 🙂

  2. Peter

    Die einzelnen Etappen hier im Blog sind nicht nötig. Ich würde mir mehr Fotos von den Kleinigkeiten am Wegesrand wünschen ( Blümchen, seltsames Essen, normale Menschen, exotische Märkte und so ein Zeug ).

  3. Klaus und Petra

    Wir sind stolz drauf euch zu kennen und mit euch diese mutige Reise täglich machen zu können (wenn auch nur vom Sofa aus). Wir beneiden und bewundern euch. Danke für die schönen Reiseberichte und bleibt immer gesund.

  4. Flo

    Pfffft… natürlich haben wir das vermisst, hallo!? Also wir lesen Eure Reiseberichte total gerne!

  5. Ralf vom Berge

    JA!!
    … den Tee kenne ich …
    Ich hatte mal kurdische Nachbarn, die mich zu Tee eingeladen hatten. Scheint’s haben die das Verdünnen vergessen …
    Die zweite Tasse hab‘ ich dann dankend abgelehnt und bin nach Hause gezittert :oD
    Keine Ahnung, wie die das Zeugs überlebt haben, vor allem in den Mengen, in denen sie’s getrunken haben :oDDD

  6. Ralf vom Berge

    Gerade durch die neuesten Fotos gewühlt …
    Sitzecke auf einem Kanal ist schick – haben euch die Mücken nicht aufgefressen? 8oO
    … wir sollten auch mal wieder Urlaub machen, aber mit unserem faulen Hund wird’s mit dem Rad schwierig … :oD

  7. Mica

    Ja, auch ich lese eure Etappenberichte sehr gern. Täglich eine kleine Sternstunde. Freue mich und leide mit euch mit. Bin neugierig und gespannt und so froh, dass ihr mich so auf dieser Reise mitnehmt und ich teilhaben kann.

    Und so wie ich es wahrnehme, sind sehr viele täglich in freudiger Erwartung auf einen neuen Eintrag von euch.

    Das wichtigste ist doch aber, dass auch ihr Freude daran habt.
    Schreibt so wie es bei euch passt. Das muss nicht zwingend täglich sein.
    Auf jeden Fall bereitet ihr mit euren Bilder und Texten ganz vielen Menschen ganz viel Freude.
    Gern weiter so.

  8. Ralf vom Berge

    Von Hunden umgerannt und sorgfältig abgeschlabbert? :o) Das kenne ich von unserer :oD
    In der Gegend ist so eine Felsenwohnung bestimmt toll, immer angenehm temperiert. Wird da noch was bewohnt?

  9. Die Barsinghäuser

    Och 🥰 son Hund hätte doch nun wirklich noch Platz auf dem Gepäckträger 😁

  10. Hartmut

    Danke, danke, danke! Mit euren Bildern, parallel auf Google Maps (wo bei manche Orte unter den Bildern gleiche mehrere markierte Punkte auf den Bildschirm bringen) schnell geschaut wo genau ihr seid, leidet man sogar mit Staub, Sonne und Anstiegen. Wobei die Temperaturen in der neuen Geschäftsstelle durch die Kühlung (keine Klimaanlage) sehr angenehm sind. Also, wenn Zeit und Muße es bei euch zulassen freuen wir uns sehr.

  11. Ingrid Diepholz

    Wi freuen uns immer über eure Berichte, nett dass wir lesen dürfen….liebe Grüße aus Minden

  12. Ralf vom Berge

    … ihr werdet Internet finden – ihr seid ja nicht in einer deutschen Großstadt … :oD

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