Der Weg zum Salzsee

4.8. – 6.8.
Beyşehir ➱ Aksaray

Nachdem wir uns gezwungener Maßen ein paar Tage auskurieren mussten, hatten wir dann doch irgendwann Hummeln im Hintern und wollten weiter. Um eine langweilige Etappe zu überspringen und unsere Kräfte ein wenig zu schonen, nahmen wir den Bus bis nach Konya. Wie eigentlich alles in der Türkei ging das sehr problemlos. Die Fahrräder samt Gepäck können einfach unten in den Bus gelegt werden und schon ist alles verstaut. Wir waren also wieder unterwegs.
In Konya angekommen organisierten wir uns erst einmal Bluetoothkopfhörer. Auf den vorangegangenen Etappen hatten wir beide das Bedürfnis ein Hörbuch zu hören, um uns von der Weite der Landschaft ein wenig abzulenken und die Etappen etwas kurzweiliger zu gestalten. Unsere neue Errungenschaft ermöglichte es uns ab sofort beide das selbe Hörbuch zur selben Zeit zu hören, sodass wir uns auch darüber austauschen konnten. Einer bekam den linken Stöpsel, der andere den Rechten und schon vergingen die Etappen wir im Fluge. 
Die Euphorie über die Kopfhörer war allerdings schnell verflogen, als wir erstmalig einen Platten an einem Hinterreifen diagnostizierten. Und das alles am späten Nachmittag, als wir eigentlich schnellstmöglich aus der Stadt raus wollten, um noch einen guten Schlafplatz zu finden. Aber da hat es tatsächlich ein Dorn einer garstigen Pieksepflanzen geschafft durch unsere bisher unkaputtbaren Reifen zu stechen. Kein Glas, was ständig am Straßenrand liegt, keine spitzen Steine oder scharfe Kanten, nein ein Dorn…was auch sonst in der Türkei hätte das schaffen sollen? Das Loch war schnell geflickt und der Reifen nach einigen Schweißperlen auch wieder aufgepumpt. 
Anschließend blieb uns nicht mehr viel Zeit einen angenehme Schlafplatz zu finden, sodass wir (ebenfalls erstmalig) an einer Tankstelle übernachteten. Wir hatten schon von anderen Radreisenden gehört, dass sie dies wohl ab und an gemacht haben und dies durchaus gängige Praxis ist. Tatsächlich gibt es an Tankstellen oft ein WC und etwas Verpflegung, sodass alles vorhanden ist, was man braucht. Jedoch sind Tankstellen auch nachts recht stark frequentiert und insgesamt eher ungemütlich. Der Tankstellenwart lotste uns jedoch zu einem Stoppelfeld, auf dem es etwas ruhiger war. Auch die Aussicht auf die Berge war gar nicht so schlecht. Nichtsdestotrotz blieb es bei dieser einmaligen Übernachtung an einer Tankstelle.

Staub, Wind, Hitze und Mais
Nach der Tankstellen-Nacht fassten wir unser nächst größeres Ziel ins Auge: den Tuz Gölü, was übersetzt schlicht Salzsee bedeutet und schon vermuten lässt, wie es in der Gegend aussieht. 
Die Landschaft auf dem Weg dorthin ist vor allem trocken, karg und voller Nichts. Es geht durch endlose staubige Weiten, in denen sich ab zu eine riesige Schafherde erkennen lässt (auch wenn wir nicht wissen, wovon die satt werden). Manchmal scheint man auf einem anderen Planeten zu fahren. 
Und dann, wie aus dem Nichts, tauchen dann in der Ferne auf einmal riesige Maisfelder auf. Nach einer Grenze die wie mit dem Lineal gezogen ist (bzw. in diesem Falle wie mit dem Wasserschlauch) wachsen plötzlich 2m hohe Pflanzen auf dem gleichen kargen, lebensfeindlichen Boden, der auf natürlichem Wege lediglich besagte Pieksepflanzen überleben lässt. Die Massen an Wasser die es braucht, um diese Flächen an Mais zu bewässern sind uns nach wie vor schleierhaft. Unfassbar, unter welchen Umständen es möglich gemacht wird hier Landwirtschaft zu betreiben. Für viele Kilometer fuhren wir durch Maisfelder, die dann genauso abrupt enden, wie sie begonnen haben. Nach dem letzten Maisfeld öffnete sich die Landschaft wieder und wir waren zurück in der Einöde voller Staub. Ein wirklich krasser Kontrast.

Klebender Staub
Aber auch wenn die Landschaft flach ist, ist sie nicht ohne Tücken. Die Straßen sind schottrig und uneben und wieder einmal machte uns starker Gegenwind zu schaffen. Hinzu kam der Permanent aufgewirbelte Staub, der uns in eine dicke Schicht hüllte. Diese Art Staub, die einfach überall einen Weg durch findet und sich in sämtlichen Unebenheiten niederlässt. Als uns nach etlichen Kilometern ein Gefährt entgegenkam was die Straße wässerte, war unsere Freude groß. Jedoch verflog die Freude schnell, als wir feststellten, dass wir es nun mit richtig schlimm klebendem Matsch zu tun bekamen. Unsere Fahrräder wogen nach 5 Minuten etwa doppelt so viel wie vorher. Und es wurde so schlimm, dass sich der Schlamm so in den Schutzblechen festsetzte, dass sich die Räder nicht mehr drehen konnten. Mühevoll mussten wir den Klebeschlamm entfernen, um weiter zu kommen. 

Hitze 
Neben Wind und Staub kam als weitere Komponente auch noch die Hitze hinzu. Die Sonne steht schon in den frühen Morgenstunden steil am Himmel. Sobald sie am Horizont erscheint ist es heiß und so bleibt es auch, bis sie wieder verschwindet. Insbesondere in den Mittagsstunden ist die sengende Hitze kaum zu ertragen. Allein der Wind hat es uns ermöglicht tagsüber unter erträglichen Bedingungen Fahrrad zu fahren, auch wenn er viel zu oft aus der falschen Richtung kam. Unseren Tagesrhythmus passten wir in der Gegend entsprechend an. Morgens ging es so früh wie möglich los, sodass wir bis zum Mittag schon einige Kilometer hinter uns gebracht hatten. Es folgte eine lange Mittagspause von ca. 11 bis 15:30 Uhr. Nachmittags waren die Straßen oft stark aufgeheizt, sodass die Hitze nicht nur von oben sondern auch von unten strahlte. Dank der Trockenheit und des Windes ließ es sich jedoch immer gut aushalten und wir hatten kaum Probleme mit den Temperaturen. 
Vor allem die Tatsache, dass es in der Türkei alle paar Kilometer einen Brunnen am Straßenrand gibt, ließ uns unbeschwert durch das Land fahren. Wir mussten nie fürchten nicht genug zu trinken und konnten immer gut hydriert durch die heißen Tage fahren. Zudem ließen sich T-Shirt und Cappie regelmäßig nass machen, sodass sie uns während der Fahrt angenehm kühlten.

Schlaflose Nächte 
Wenn schon die Temperaturen uns nicht viel ausmachten, war es für einige Tage aber die Schlafplatzsuche. In dieser kargen Gegend ist es nicht nur sonnig, windig und staubig, sondern es ist auch unglaublich schwer einen geschützten Ort für die Nacht zu finden. Die Nächte hier zählen bisher definitiv zu den unangenehmsten der Reise. Insbesondere der starke nächtliche Wind auf freiem Feld, der am Zelt zerrte, ließ uns kaum ein Auge zu tun. 
Das Gute daran war jedoch, dass man morgens froh war endlich aus dem Zelt krabbeln zu können, um weiter zu fahren. So schafften wir vor der schlimmen Mittagshitze immer schon recht weite Strecken und konnten Mittags unbeschwert die langen Pausen machen.

Salzsee 
Nach den überstandenen Staub-Strecken folgte nun eigentlich jeden Tag ein Highlight. Zunächst kamen wir am Salzsee an. Diese Landschaft lässt sich schwer in Worte fassen. Es ist vor allem endlos weit und weiß. Es ist ein riesiges Loch voller Salz. Wir haben es natürlich getestet, es schmeckt wirklich nach Salz!  
Eigentlich haben wir insgeheim auf Flamingos gehofft, die es dort geben soll. Wir wurden allerdings wieder einmal nur mit einer Schafherde am Rande des Sees vertröstet. Der See ist riesig und lässt sich sogar in der Satellitenansicht auf Google Maps gut erkennen. Wir waren im südlichsten Zipfel des Sees und schon dort ist es wirklich beeindruckend. Für eine Weile verweilten wir auf einem wackligen Aussichtsturm bevor uns die Sorge vor der Mittagshitze und der unendlichen vor uns liegenden Weite, die wir noch zu durchqueren hatten, weiter trieb. Die zuvor überwundenen endlosen Strecken wurden an Endlosigkeit hier noch einmal übertroffen. Der Weg vom See in die nächste Ortschaft verschwand am Horizont. Weit und breit war nichts zu erkennen. Nur die Umrisse einiger Berge ließen sich am Horizont vage erahnen. Auf schotterigen Wegen, die bald kaum noch zu erkennen waren fuhren wir ins Nichts. Bald waren wir uns gar nicht mehr so sicher, ob wir es jemals aus dieser Gegend heraus schaffen würden. 

Gebetsvorbereitungen 
Nach einer gefühlten Ewigkeit entdeckten wir am Horizont jedoch Häuser und steuerten neuen Mutes darauf zu. Noch leicht panisch aber dennoch glücklich erreichten wir das Dorf und fuhren zur Moschee, um dort im Schatten Mittagspause zu machen.
Dort konnten wir beobachten, wie sich die Männer auf das Mittags-Gebet vorbereiteten. Das Gesicht und der Nacken sowie die Arme und die Füße werden vor jedem Gebet gewaschen. Dafür gibt es vor jeder Moschee ein Rondell mit mehreren Wasserhähnen und jeweils einem Schemel davor, auf den man sich setzen kann. Es herrscht eine gesellige Stimmung, bis irgendwann alle im Inneren der Moschee verschwunden sind. 

Aufmerksamkeit 
Wir wurden natürlich neugierig beäugt und auch befragt woher wir kommen und nach dem Gebet wurden wir, wieder einmal, mit Dingen überhäuft. Viele Männer waren nach Hause gegangen und kamen wieder, um uns etwas zu essen zu bringen. Dafür sind wir natürlich immer zu haben, so nahmen wir also dankend mehrere Flaschen Wasser und Saft, einige Gurken und Eis entgegen und freuten uns (wie fast jeden Tag) über die Freundlichkeit der Türken.
Als jedoch die Kinder des Ortes uns entdeckten mussten wir irgendwann unsere Pause frühzeitig beenden. Die Kleinen wurden immer mehr, immer neugieriger und lauter und entsprechend aufgedrehter. Da wir sie nicht bändigen konnten und die Situation unübersichtlich wurde und zu kippen drohte, schwangen wir uns wieder in die Sättel und suchten uns ein neues schattiges Plätzchen hinter einen Strohhaufen am Ortsrand. Und auch hier sind wir den scharfen Augen der Bewohner nicht entgangen und 5 Minuten später reichten uns zwei Frauen eine Flasche mit eiskaltem Wasser und ein Glas dazu. Ein weiteres Mal fehlten uns die Worte. Diese Aufmerksamkeit fremden Menschen gegenüber ist sagenhaft und ganz sicher etwas, was wir uns für die Zukunft auch gerne an andere weitergeben möchten.

Krater 
Als Abschluss der Staubetappen, fanden wir ein großartiges Fleckchen zum Übernachten. Als wir Mittags schauten bis wohin wir es wohl schaffen würden, entdeckten wir einen See. Völlig überrascht, dass es in dieser Gegend überhaupt Wasser gibt, wählten wir ihn als Tagesziel aus, auch wenn er eigentlich nicht direkt auf dem Weg lag. Der Gedanke am Abend in einen See springen zu können war einfach zu verlockend. Die Landschaft hatte sich mittlerweile ein wenig geändert und die flachen Ebenen wurden nun von vereinzelten Vulkanen durchsetzt. Es stellte sich also heraus, dass dieser See tatsächlich ein Kratersee war. Entsprechend angenehm waren die Wassertemperaturen. Wir waren ganz entzückt endlich mal wieder einen Schlafplatz mit Zugang zu Wasser zu haben. So beeindruckend die endlosen kargen Weiten auch sind, irgendwann fühlt man sich gefangen in der Endlosigkeit. Die Vulkane als Vorboten für die kommenden Landschaften waren also eine sehr willkommene Abwechslung und machten uns wieder neugierig auf die nächsten Tage.

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