Land Nummer Sieben ist durchstrampelt und schon sind wir in Bulgarien angekommen und geben unseren Beinen eine kleine Pause, bevor es ernst wird. Hier nun der nächste Einblick in das nächste Land unserer Reise.
„Kurz“ zusammengefasst:
Serbien
- ca. 470 km
- 9 Etappen (7 ab Belgrad)
- 10 Tage (7 ab Belgrad)
Nach Belgrad hatten wir den ersten Hänger. Nach der längeren Pause in Baja (Ungarn) waren wir natürlich wieder ganz glücklich endlich weiter zu kommen. Aber irgendwie wars nicht so wie vor der Pause. Die Leichtigkeit war verschwunden, obwohl wir ja nun ausreichend Zeit hatten uns zu regenerieren. Wir können auch gar nicht genau sagen warum. Vermutlich waren wir der Landschaft etwas überdrüssig geworden. Aus Belgrad raus ging es weiter an der Donau entlang. Zunächst wieder auf dem Damm, der diesmal wieder unbefestigt war und uns nun doch langsam zum Halse raushing. Aber wir wussten, dass die Landschaft sich nun bald ändern sollte. Und wenn wir den Damm nicht gefahren wären, hätten wir auch keine Schildkröten gesehen. Das soll an dieser Stelle noch einmal festgehalten sein.
Die Donau fließt, nachdem sie nun wirklich lange genau durch offene Landschaft geflossen ist, durch eine mächtige Schlucht. Diese Schlucht wird auch als Eisernes Tor bezeichnet und ist landschaftlich nun endlich unsere lang ersehnte Abwechslung.
Die Berge sind schon von Weitem zu sehen und der Fluss staut sich davor zu einem riesigen See an, der ein tolles Panorama schafft. Einmal in den Bergen angekommen, fährt man durch einige Tunnel und schlängelt sich mit der Donau durch das Tal. Die Straße ist, entgegen unserer Befürchtungen, nicht sonderlich stark befahren. So konnten wir entspannt fahren und die Landschaft auf uns wirken lassen. An der engsten Stelle der Donau ist das Land auf der anderen Seite des Flusses (na? Wer weiß es?) nur einen Steinwurf entfernt. Wir waren zwar nicht in dem Land, aber wir waren wirklich fast dort.
Nachdem wir das Eiserne Tor so gut wie durchfahren hatten, sind wir von der Donau abgebogen und noch ins Landesinnere gefahren. Hier ging es ein Tal hinauf, durch skurrile Dörfer und vorbei an kleinen Feldern, auf denen gerade Heu gemacht wurde. Die landwirtschaftliche Technik ist hier definitiv sehenswert und richtig süß. Sie entspricht vermutlich noch am ehesten der romantischen Vorstellung bzw. dem Wunsch der meisten westeuropäischen Konsumenten. Dass das Ganze ein echter Knochenjob ist, konnten wir bei den Temperaturen und dem immerhin vorhandenen Fahrtwind nur erahnen.
In den Dörfern, die nicht direkt auf der Radroute (Eurovelo 6) liegen, wird man als Reisende, wie wir es sind, wieder ganz anders beäugt. Vermutlich sind wir doch ein eher seltenere Anblick. Je weiter wir uns aus dem Tal nach oben kämpften, desto schöner und ländlicher wurde die Gegend. Die alte Euphorie für unsere Tour wurde wieder geweckt.
Nach endlich wieder schönerer Landschaft sind wir nun in Bulgarien und damit auch wieder in der EU angekommen. Nach 10 Tagen in Serbien können wir jedem nur empfehlen einmal dieses Land zu bereisen. Es gibt viele noch sehr unberührte und wilde Landschaften zu entdecken. Insbesondere lohnt es sich natürlich entlang der Donau. Hier sind (wenn auch nicht viele) Touristen immerhin bekannt und zum Teil mittlerweile auch wieder eine der Haupteinnahmequellen. Wobei dies verglichen zu früheren Zeiten immer noch nur ein Bruchteil sein kann. Weiter im Landesinneren spielt der Tourismus vermutlich kaum eine Rolle und man bekommt das Land und die Kultur in seiner reinsten Form zu sehen.
Insgesamt ist Serbien ein interessantes Land. Nicht in der EU und doch mitten drin. Orthodox geprägt und doch auch auf den Westen blickend. Friedlich und doch im Konflikt stehend. Man bekommt den Eindruck, dass das Land selbst nicht genau weiß wohin es will. Es gibt sicherlich einiges, was besser laufen könnte, jedoch scheint die Nation auch gut zurecht zu kommen. In jedem noch so kleinen Ort gab es einen Landen mit Lebensmitteln und die Dörfer waren alle bewohnt und weitestgehend intakt. Der Lebensstandard ist sicherlich geringer als in anderen Ländern, doch mangelt es den Menschen hier nicht an den grundlegenden Dingen. Und auch sonst sind die Menschen freundlich und freuen sich (meistens) über Besucher.
Mit unseren neu gewonnenen Einblicken, werden wir in Zukunft sicherlich einmal mehr die Ohren spitzen, wenn es in den Nachrichten um die Balkan Staaten geht. Wir sind gespannt, was die Zukunft hier bringen wird.
Etappenbeschreibungen:
16.6.
Belgrad ➱ Pločica (Плочица – ihr könnt ein paar neue Buchstaben lernen oder altes Wissen wieder auffrischen!)) (79 km)
Nach unserem Besuch in Belgrad ging es wieder rauf aufs Rad und raus aus der Stadt. Trotz großer Angst vor stark befahrenden Straßen ginge es erstaunlich gut zu fahren und mit der entsprechenden Gelassenheit haben wir uns wieder bis zu unserem geliebten Damm durchgewurschtelt. Hier ging es nun über ausschließlich unbefestigte Wege an der Donau entlang. Nachdem wir zum Tagesende einen Zeltplatz angesteuert haben auf dem niemand war, sind wir dann doch noch ein Stückchen weiter gefahren und haben auf der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz ein paar Schildkröten gefunden. Es tut mir Leid, wenn ich es schon wieder schreibe, aber es war auf jeden Fall ein Highlight für uns.
17.6.
Плочица ➱ Veliko Gradište (Велико Градиште) (76 km)
Es war tatsächlich mal bewölkt! Ein weiteres Highlight! Und es hat sogar mal en paar Tropfen geregnet. Auch eine Seltenheit auf dieser Reise bisher (zum Glück). Weiter ging es den holprigen Damm entlang, vorbei an Schafherden auf der einen Seite und großen sumpfigen Gebieten mit den verschiedensten Tierarten auf der anderen, bis zu unserer letzten Fährenüberfahrt. Dies war die einzige Fähre, die nicht dauerhaft hin und her pendelt, sondern zu festen Uhrzeiten. Wir waren 1,5h zu früh da und konnten noch unsere Sachen trocknen und ein kühles Getränk zu uns nehmen. Die Fähre hat uns dann übergesetzt zur schönen Landschaft. Ab hier konnte man die Berge sehen und es begab beim Fahren endlich wieder viel zu gucken. Übernachtet haben wir in einem Ort der im starken Kontrast zum vergangenen Tag stand. Der Kurort war voll mit Menschen, die Promenade am Ufer war sehr neu gepflastert und es gab unzählige Buden und Urlaubsattraktionen, wie man es kennt. Wasserpark, Jetski, Quad-Touren… fast ein bisschen Komisch nach der ganzen Zeit ohne irgendwas. Ein sehr netter Mann hat uns auf dem Zeltplatz empfangen und sichergestellt, dass wir alles haben was wir brauchen. Obwohl er kein Wort deutsch oder englisch sprach und wir kein Wort serbisch, haben wir uns sehr gut verstanden.
18.6.
Велико Градиште ➱ Donji Milanovac (Доњи Милановац) (74 km)
Von hier aus wurde das Panorama immer schöner. Die Donau staut sich vor dem „Schlund“ zu einer großen Seenlandschaft an. Die Berge dazu im Hintergrund bilden eine richtig tolle Kulisse. Man kommt der Schlucht immer näher und nach einer Burg und dem ersten Tunnel ist man auch schon mitten drin. Die Straße führt immer dicht am Fluss entlang und immer wieder erhascht man auch einen Blick aufs andere Ufer.
Zum Ende des Tages haben wir uns dann tatsächlich noch eine Straße nach oben gekämpft und wurden mit einem wunderschönen Blick über die Donau und die umliegenden Berge belohnt. An dem Ort wurden wir auch direkt mit einem Rakija begrüßt. Nur die Frau, die über das herrlich duftende Buffet „herrschte“ wollte uns nicht so ganz verstehen. Nach unserer Erfahrung mit dem Mann vom Zeltplatz zuvor, waren wir hier ein bisschen frustriert mit ihrer abweisenden Art. Wir haben dann aber doch noch etwas zu essen bekommen und ihr sogar noch ein Lächeln abgerungen.
19.6.
Доњи Милановац ➱ Kladovo (Кладово) (75 km)
Nach unserem Frühstück bei bestem Panorama ging’s wieder ins Tal hinab und weiter an der Donau entlang zur engsten Stelle. Das ist tatsächlich ein beeindruckender Anblick. Viele Fotos später ging es heute schon einmal ordentlich hoch und runter. Am Ende des Tages musste noch ein Berg erklommen werden und schon wurden wir wieder mit einem schicken Schlafplatz mit Fernblick belohnt.
20.6.
Кладово ➱ Sikole (Сиколе) (75km)
Schon beim Zusammenpacken haben wir ordentlich geschwitzt, obwohl wir früh dran waren. Nach einem letzten Stückchen entlang der Donau sind wir in ein Tal abgebogen, was uns unsere lang ersehnte ruhige Landstraße zurückgegeben hat. Zwar war die Straße an der Donau entlang auch nicht stark befahren aber immerhin so viel, dass man nicht entspannt zu zweit nebeneinander fahren konnte. Nun begegnete uns pro Stunde wieder maximal ein Auto. Dafür wurden wir dann in den Orten wieder merkwürdig angeschaut. Zunächst waren die Dörfer auch skurril. Als ob sich ein paar Superreiche ein Ferienhäuser mit glänzenden Zäunen gebaut haben und dann nie eingezogen sind. Die Häuser sahen alle recht neu aus aber die Orte waren wie ausgestorben. Je weiter wir das Tal nach oben fuhren, desto schöner wurde es aber. Die Landschaft öffnete sich wieder und die Orte waren wieder hauptsächlich landwirtschaftlich geprägt.
Die kleine Landstraße ging ordentlich hoch und runter und die Sonne hat uns ordentlich gebraten. Jedes schattige Fleckchen wurde für eine Pause ausgenutzt. Am Abend haben wir dann tatsächlich den idealen schattigen Schlafplatz gefunden. Schattig am Abend und am Morgen!
21.6.
Сиколе ➱ Oshane (Ошане) (76 km)
Wieder war es morgens schon ziemlich warm. Die schöne Aussicht auf der Strecke ließ uns die Temperaturen jedoch ertragen. Die Berge waren unser ständiger Begleiter. Sowohl auf dem Weg, als auch als Anblick. Nach einem weiteren längeren Anstieg hatten wir uns zur Grenze nach Bulgarien gekämpft. Völlig triefend kamen wir dort an und zeigten unsere Pässe vor. Nach einigen Nachfragen und dem Hinweis, dass wir uns nicht als Urlauber bei der Polizei registriert hatten (als Transitreisender muss man das laut auswärtigem Amt auch nicht, solange man nicht länger als 24h an einem Ort ist), wurden wir aber doch durch gelassen und befanden uns nun in Bulgarien. Vom ersten Grenzschrecken erholt, fuhren wir nun also die ersten Km im nächsten Land. Tatsächlich muss man sich die ersten Tage immer erst ans neue Land gewöhnen. Zum Beispiel gab es nicht wie spekuliert einen Laden in jedem Ort. Die Dörfer durch die wir fuhren waren alle sehr zerfallen und größtenteils wohl auch verlassen. Unsere Essensvorräte waren für eine Nacht aber noch ausreichend und wir wussten, dass der nächste größere Ort am nächsten Tag nicht weit weg war.
22.6.
Ошане ➱ (Belogradtschik) Белоградчик (17 km)
Um unseren Muskel ein wenig Ruhe zu gönnen, hatten wir beschlossen in Belogratschik einen Tag Pause zu machen. Für den nächsten Tag war eh auch Regen angesagt und unsere Beine sehnten sich nach einem Tag Entspannung. So strampelten wir nur bis nach Belogratschik und genossen die grandiose Aussicht über die Felsen. Der Blick ist beeindruckend und dem Elbsandsteingebirge tatsächlich ähnlich. Schade nur, dass das Örtchen in den letzten Jahren offenbar wenig Möglichkeiten gefunden hat sich diesem Schatz anzunehmen und touristisch zugänglich zu machen. Oder vielleicht zum Glück?
Wieder einmal steht man mit sich selber im Konflikt. Einerseits behält die Landschaft so natürlich das Wilde, wenig erschlossene, gleichzeitig aber würde der Tourismus der Bevölkerung und der Region sicherlich zu etwas Aufschwung verhelfen. Die Dörfer und auch Belogratschik an sich werden vermutlich in den kommenden Jahren tendenziell eher verlassen werden, womit die Gegend zunehmend schwerer zu erreichen sein wird. Das wäre definitiv auch schade, denn der Ort und auch die Gegend direkt herum sind wirklich schön. Vielleicht gelingt es ja durch die richtige Art und Weise von Tourismus die Region zumindest so zu erhalten wie sie ist.
Wenn man einmal nachließt, befinden wir uns nun in einer der ärmsten Regionen der EU. Nach den ersten Tagen können wir das für unsere bisherige Tour sicherlich bestätigen. Trotzdem sind die Menschen sehr herzlich und heißen einen willkommen. Wir müssen uns noch ein bisschen eingrooven und schauen, wie wir im Land zurecht kommen. Bisher sind wir immer gut an Lebensmittel gekommen und auch auf der kommenden Strecke liegen ausreichend Orte, die uns versorgen werden. Trotzdem ist es nun das erste Mal so, dass man sehr sorgfältig schaut, wie viel Essen noch in den Fahrradtaschen vorhanden ist.
Wir haben beschlossen nicht über Sofia zu fahren, sondern durch die Berge. Insbesondere, weil die Strecke nach (und nach) Sofia recht öde erscheint. Und davon haben wir vorerst genug. Daher schinden wir uns erst einmal und gucken, wie uns das gefällt. Ins Tal abbiegen können wir eigentlich jederzeit, falls es doch zu anstrengend wird. In der Hoffnung, dass wir euch mit schönen Bildern versorgen können schwingen wir uns morgen wieder aufs Rad und schauen mal was wir erleben. Heute genießen wir noch das Prasseln vom Regen auf dem Zelt und freuen uns, dass wir nicht nass werden.
Ihr legt in der Realität wahrscheinlich täglich mehr Kilometer zurück, als ich in meinen Computerspielen. Respekt und weiterhin viel Erfolg! 😀
Wahnsinn auch das ihr eure Motivation doch irgend wo wieder gefunden habt 🙂 großen Respekt! Ich hätte sicherlich aufgegeben !!!