Wie man richtig schnell durch den Iran kommt? Mit dem Bus! Wie viel man dabei vom Land mitbekommt? Fast gar nichts. Wie es uns geht? Wir sind frustriert und unzufrieden mit der Welt.
Die letzten Wochen waren kräftezehrend. Und zwar nicht so wie sonst muskulär, sondern mental. Wir sind ziemlich fertig, obwohl wir eigentlich kaum Fahrrad gefahren sind. Und wir sind das erste mal richtig unglücklich damit wie es gerade läuft. Aber es kann ja auch nicht immer alles ideal laufen…
Willkommen
Klar haben uns viele gefragt, warum wir denn ausgerechnet in den Iran wollen und einige haben uns auch davon abgeraten dorthin zu fahren, und genau deswegen wollten wir euch hier erzählen, wie schön es in diesem Land ist. Und eigentlich, anhand unserer Erfahrungen, können wir auch wirklich (fast) nur Gutes über das Land sagen. Insbesondere die Menschen sind wirklich sagenhaft freundlich. Überall wird man begeistert begrüßt, jeden Tag bekamen wir essen geschenkt und auch die Landschaft hat Potenzial schön zu sein.
Autos haben vor uns angehalten, um einfach mit uns zu sprechen und uns Wasser zu geben, die Leute, die am Straßenrand Melonen verkaufen, haben uns mehrfach in ihre schattigen Buden eingeladen und uns unzählige verschiedene Melonen kredenzt und wenn wir Pause machten, kam häufig jemand und brachte uns Tee. Sogar während des Fahrradfahrens hat man uns von einem Motorrad aus Tomaten in die Hand gedrückt. Ein LKW Fahrer hat uns zu sich nach Hause eingeladen und uns Mittagessen serviert. Und fast überall wo wir entlanggehen werden wir mit „Welcome to Iran“ begrüßt.
Und dann noch die Städte mit ihren Basaren und imposanten Gebäuden. Es ist einfach eine ganz andere Welt, die noch so viel mehr zu bieten gehabt hätte.
Zudem basieren all diese Erfahrungen auf nur sehr sehr wenigen Tagen auf dem Fahrrad. Wie viel mehr wir zu erzählen hätten, wenn wir noch länger geblieben wären. Es gäbe sicherlich unzählige noch viel schönere Geschichten. Und vor allem könnten wir mit den Vorurteilen über dieses Land aufräumen und euch ermutigen auch einmal den Weg auf euch zu nehmen und diese Kultur kennenzulernen (Die Teppiche hier sind wirklich der Wahnsinn!).
Die Berichte aus den Medien, die es tagtäglich zu lesen gibt, können wir persönlich auch nicht bestätigen. Wir haben selber keinerlei Unruhen mitbekommen. Die Polizei hat uns nicht ein einziges Mal angehalten und auch sonst hatten wir eigentlich keinen Grund zur Sorge.
Am Limit
Und doch hatten wir genau die: Sorgen. In jedem neuen Land braucht es immer ein paar Tage, bis man sich an die neuen Umstände gewöhnt hat und noch ein paar Tage, bis man es genießen kann. Im Iran jedoch sind wir nie an den Punkt gekommen zu genießen. Wir waren permanent angespannt. Täglich hatten wir den Drang so weit wie möglich zu fahren, um Strecke zu schaffen. Hinzu kam, dass die von uns gewählte Strecke auch wirklich nicht schön war. Wir dachten, dass es ähnlich wie in der Türkei sein würde, aber weit gefehlt. Die Straßen, selbst die kleinen, sind stark befahren und entsprechend laut. Hinzu kommt außerdem, dass das Wort Abgasnorm hier noch nicht einmal erfunden ist. Zum Radfahren ein echter Albtraum.
Die von uns so geliebte Ruhe auf der Fahrt während man durch die Landschaft fährt kam überhaupt nicht auf.
Auf die kleineren Straßen haben wir uns jedoch auch nicht so recht getraut, weil auch anders als in den vorherigen Ländern, nirgends Wasserbrunnen vorhanden waren. Die Orte liegen aber oft recht weit auseinander, sodass wir nicht sicher waren ob wir damit zurecht kommen würden. Zudem war es wieder relativ warm tagsüber und wir hätten immer in der Angst fahren müssen Wassermangel zu haben. Allerdings hätten wir in den kleinen Orten sicherlich ausreichend Menschen getroffen, die uns bestens mit mehr als nötig versorgt hätten.
Und all diese kleineren „Probleme“ hätten wir mit Sicherheit hinbekommen, wenn da nicht die Nachrichten und Stories von anderen gewesen wären. Die sind der eigentliche Grund dafür, dass wir einfach nur noch aus dem Land wieder raus wollten. Und das obwohl wir überhaupt keine eigenen Erfahrungen in diese Richtung gemacht haben. Aber permanent zu lesen, dass man nachts von der Polizei geweckt wird, wenn man mit dem Zelt irgendwo übernachtet, ließ uns einige Nächte hintereinander kaum schlafen. Dann noch der Gedanke daran, dass Europäer angeblich vermehrt verhaftet werden und an die vielen Kilometer, die noch vor uns lagen waren schon nach kurzer Zeit einfach zu viel.
Raus hier
Viel zu wenig Schlaf, eine extrem nervige Fahrstrecke, die Wasserproblematik und die dauerhafte Angst etwas falsch zu machen, ließen uns ein erstes Mal in einen Bus steigen. In der Hoffnung in einem Hostel ein bisschen besser die Lage abschätzen zu können und noch einmal mit Menschen zu sprechen, die auch durch das Land reisen, fuhren wir bis nach Isfahan. Im Hostel jedoch bestätigte sich unser Gefühl leider bloß. Auch hier bekamen wir wieder Geschichten zu hören, die wir nicht hören wollten und unsere Sorgen vergrößerten sich eher. Als dann auch noch Frankreich anfing ihre Bürger aus dem Land auszufliegen war es dann endgültig vorbei.
Aus dem Plan von Isfahan aus weiter mit dem Fahrrad zu fahren und dem Land noch eine Chance zu geben, wurde dann der Plan nun doch wirklich das Land möglichst schnell zu verlassen.
Also buchten wir schweren Herzens, widerstrebend, frustriert und resigniert wieder einen Bus und fuhren 14 Stunden damit ganz in den Süden, um von dort aus eine Fähre nach Dubai zu nehmen. Am Fährhafen haben wir noch 5 weitere Radfahrer getroffen, denen es ähnlich ging wie uns. Immerhin waren wir also in guter Gesellschaft.
Ziemlich gefrustet haben wir nun also das Land verlassen, auf das wir mit am meisten hingefiebert haben. Die Erfahrungen, die wir persönlich gesammelt haben waren eigentlich alle positiv, aber die Sorgen, die wir tagtäglich mehr oder weniger auch unbewusst mit uns rumgetragen haben, fallen nun langsam ab und wir können uns wieder entspannen.
Bilder im Kopf
Die letzten Wochen seit Jerewan waren definitiv die härtesten. Und hier zeigt sich wieder einmal, dass es oft nicht die körperlichen Leiden sind, die einen fertig machen sondern die psychischen.
Verrückt ist daran irgendwie auch, dass wir bisher nie so viele Nachrichten über ein Land im Voraus und währenddessen gelesen haben. Sicherlich war das für die Situation angemessen und auch wichtig, um Risiken zu vermeiden. Jedoch sind wir dadurch auch extrem voreingenommen und paranoid gewesen. Wir haben überall Gefahren lauern sehen und wollten am Ende nicht einmal mehr das Hotelzimmer verlassen. Vielleicht war das am Ende auch gut so, aber es ist schon heftig wie sehr einen Medienberichte verunsichern.
Hoffnung
Wir hoffen und wünschen uns sehr, dass die Menschen im Iran etwas bewegen können. Für sich und für ihr Land. Leider haben wir mit viel zu vielen Menschen gesprochen, die nicht daran glauben, dass sich etwas ändern wird. Es herrscht schon eine gewisse „Aufbruchstimmung“ und das Momentum besteht, um vielleicht auch etwas zu erreichen. Dennoch gab es in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder einmal Aktionen dieser Art. Die meisten davon gingen allerdings nur ein oder zwei Wochen. Diesmal geht es schon viel länger. Es gibt also Hoffnung.
Nur, was kommt danach? Was ist die Perspektive für ein Land, was keine Alternative kennt? Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie es weiter geht. Und jetzt wo wir aus dem Land raus sind, können wir das ganze auch mit sicherem Abstand beobachten.
Und eins noch zum Abschluss. Wir sind trotzdem froh im Iran gewesen zu sein und dass wir wenigstens ein kleines bisschen in dieses Land reinschnuppern zu konnten. Wir wären mindestens genau so frustriert gewesen, wenn wir es nicht gemacht hätten. Diesmal hat sich bestätigt, wovor uns viele vorher gewarnt haben. Die meisten anderen Male zuvor war das anders. Aber immerhin hat uns unser Bauchgefühl wieder einmal nicht im Stich gelassen. Immerhin das.
Jetzt wird’s richtig warm
Wir werden jetzt die Vereinigten Arabischen Emirate und den Oman erkunden. Hier gibt es auch eine Wüste, die wir so gerne eigentlich im Iran sehen wollten. Und hier kann man sich frei bewegen ohne Angst haben zu müssen verhaftet zu werden. Das klingt erstmal alles ein bisschen besser. Wir hoffen, dass wir unsere Reiselust wiederfinden und wir wieder Besseres aus der Welt berichten können.
Ich bin sicher, eure Reiselust kommt ganz schnell zurück…wir sind aber auch froh, dass ihr den Iran unbeschadet bereisen konntet…es war wieder ein spannende Geschichte…..wir freuen uns immer darauf…Liebe Grüße Ingrid und Eike
Auf der einen Seite ist das wirklich schade, aber auf der anderen leider keine heile Welt. Ich hoffe auch bloß, daß die Iraner es diesmal schaffen :o\
Ich bin zumindest froh, daß ihr heil rausgekommen seid. Die Wahrscheinlichkeit, Ärger und Probleme zu kriegen, mag klein sein, aber wenn man sie dann erst mal hat, hat man sie in dem Land wahrscheinlich gründlich :o|
… wie funktioniert das eigentlich in der Wüste mit der Wasserversorgung? Bei den Temperaturen braucht ihr ja auf dem Rad wohl mindestens 10 l, und dann müßtet ihr noch entsprechend Salz nachkippen … ?
Wir hatten heute Morgen (0620) über 13°, das dürfte schon wärmer sein als morgens in der Wüste … :o)