Abgefahren Durchgefahren

 

Nach gefühlt endlosen Tagen in Jerewan mit einigen Hin und Her, hielten wir nun doch unser Visum für den Iran in den Händen. Somit kam die Option den Iran zu bereisen also doch in Frage. 

Was nun? Durch Armenien oder doch zurück nach Georgien, dann in Türkei und dann in den Iran? Oder doch lieber was ganz anderes?

Zeitmangel
Aus mehreren Gründe blieb uns nicht sonderlich viel Zeit eine Entscheidung zu treffen. 

  1. Schien das Zeitfenster, um durch Armenien zu fahren, gerade günstig zu sein. Die Anschläge lagen so viele Tage zurück, dass die Situation zumindest für den Moment gesichert schien. Noch länger zu warten fühlte sich tendenziell auch eher wieder unsicherer an. Wie ihr merkt ist hier viel Bauchgefühl dabei. Aber auch wenn man mit Armeniern sprach klafften die Meinungen von: „versucht es gar nicht erst“ bis „Ach, wir sind schlimmeres gewohnt. Guckt euch den Süden unbedingt an, sonst verpasst ihr was“. Nicht sonderlich hilfreich also, um sich sicher zu sein. Aber was ist derzeit schon sicher?
  2. haben wir in Jerewan tatsächlich auf die Schnelle keine weitere Unterkunft bekommen, da sämtliche Hostels und Hotels von den vielen fliehenden Russen ausgebucht waren. Somit mussten wir eh aus der Stadt der Stadt raus, um wieder übernachten zu können. Und da, wie Tbilisi auch Jerewan eine Stadt ist, die in einem Loch liegt, aus dem man sich mit dem Fahrrad erst einmal wieder raus kämpfen muss, mussten wir uns recht schnell für eine Richtung entscheiden.
  3. saß uns zunehmend der Herbst im Nacken und wir wussten, dass Armenien im Zweifel noch einige hoch liegende Pässe und Berge im Petto hatte, für die wir mit zunehmender Kälte immer weniger gut ausgestattet sind. 

Wir fuhren also erstmal Richtung Osten zum Sevan See. Von dort aus hätten wir sowohl nach Norden, als auch nach Süden abbiegen können. Am See angekommen waren wir zunächst wieder einmal überwältigt von der Schönheit Armeniens. Die Landschaft ist wahnsinnig schön. So schön, dass wir das Land nicht in Richtung des uns bekannten Norden verlassen wollten. 

Schnellstmöglich 
Wir machten es uns zur Bedingung noch bis zur einzig durch den Süden verlaufenden Straße zu fahren und von dort aus möglichst innerhalb eines Tages durch den südlichen Teil des Landes zu kommen. 

Wie wir das anstellen wollten wussten wir zwar noch nicht, aber bisher hat sich auch immer alles ergeben, dachten wir. 

Als wir dann am nächsten Tag Richtung Süden fuhren, wurden wir uns mit jedem Kilometer unsicherer. Was, wenn das alles nicht klappt? Was, wenn uns niemand mitnimmt oder nur ein Stück und dann niemand mehr? Dann sitzen wir mitten drin im Schlamassel und kommen womöglich nicht so schnell wieder raus…

Daumen raus und los
Nach einer unruhigen Nacht war nun also der Tag gekommen. Zunächst hatten wir kurz einen Hoffnungsschimmer auf eine einfache Lösung. Der Zeltplatzbesitzer bat an uns zu fahren. Das richtige Auto hätte er dafür gehabt. Allerdings wollte er so viel Geld dafür (es wäre ein fairer Preis gewesen), dass wir dann nach kurzem Zögern doch zähneknirschend ablehnten. 

Stattdessen ließen wir uns einen Zettel geben, den wir mit unserem Wunschzielort beschrifteten und begaben uns zur Straße, um unsere Daumen in den Verkehr zu halten. 

Zum Ersten
Keine 2 Minuten später hielt ein Transporter neben uns. Der zunächst etwas grimmig wirkende Mann hinter dem Steuer entpuppte sich nach kurzer Zeit als extrem netter, offener und hilfsbereiter Mensch. Obwohl sein Transporter schon ziemlich voll war, stopften wir die Räder und Taschen irgendwie in den Laderaum und stiegen ein. Unser Fahrer war Wursthändler und fährt seit Jahren wöchentlich von Jerewan in eine Stadt, die im jetzigen Aserbaidschan liegt. Dort wohnt er mit seiner Familie. Sein Zuhause schien sein ganzer Stolz zu sein und wir bekamen viele Fotos gezeigt. Gleichzeitig war es schockierend zu wissen, dass dieser Armenier sein Zuhause an einem Ort hat, was seit einigen Jahren nicht mehr zu Armenien gehört. Seine Existenz, die er dort aufgebaut hat, gehört nicht mehr in das Land, zu dem er sich zugehörig fühlt. Das muss eine unfassbare Last sein damit zu leben. 

Nachdem wir ca. 10 Minuten gefahren waren hielt er an und lud uns auf Kaffee und Kuchen ein. Wow! 

Wieder zurück im Auto fragte er uns mittels Google Übersetzer, ob wir Fisch mögen. Ja, klar mögen wir Fisch. Alles klar, meinte er und führte ein kurzes Telefonat. Keine Stunde später hielten wir wieder an und stiegen an einem kleinen Rastplatz an einem Bach aus. Dort erklärte er uns, dass wir jetzt Mittag essen und dass es hier den besten Fisch gibt den er kennt. Schmeckt wie hausgemacht, meinte er. Sofort zog ein anderer Mann mit einem Käscher los und fing aus dem Bach einen Fisch, den er dann auch gleich ausnahm und zubereitete. Völlig perplex verfolgten wir die Szene. Wir setzten uns an einen Tisch und bekamen kurze Zeit später den leckersten Fisch unseres Lebens gereicht. Dazu gabs Rotwein (natürlich auch für den Fahrer), Brot und Gemüse. Es war köstlich!!! Und selbstverständlich durften wir nicht bezahlen. 

Vollgefressen stiegen wir wieder ins Auto und fuhren weiter. Auf der Fahrt erfuhren wir noch einige interessante Sachen zur Gegend, bis wir an der Kreuzung angekommen waren, wo unser Fahrer einen anderen Weg nehmen wollte als wir. Schweren Herzens kramten wir unsere Sachen wieder aus dem Wagen und verabschiedeten unsere erste Mitfahrgelgenheit.

Nun hatten wir schon 80 km geschafft. 150 lagen noch vor uns. 

Zum Zweiten
Da es erst einmal bergab ging, ließen wir uns ins Tal rollen. Und als wir gerade Wasser an einer Quelle auffüllen wollten, hielt auch schon der nächste Transporter und bedeutete uns, dass er uns mitnehmen würde. Zwar auch nicht bis an‘s Ziel aber immerhin ein weiteres Stück. Dankend, nahmen wir an, ungläubig dass es schon wieder so schnell ging. Diesmal war die Ladefläche leer und wir mussten die Fahrräder nicht absatteln. Fahrer Ne. 2 verbrachte die meiste Zeit damit recht laut und aufgebracht zu telefonieren. Somit blieb uns aber immerhin die Zeit die Landschaft zu genießen, die mit jeder Kurve extremer wurde. Die Berge wurden immer schroffer und die Passstraßen waren schon mit dem Auto so steil, dass wir uns nicht in jeder Kurve sicher waren, ob der Motor das jetzt noch packt. Mit dem Fahrrad hätten wir das ziemlich sicher nicht geschafft. Entsprechend glücklich saßen wir hinter der Frontscheibe.

Am vereinbarten Ort angekommen, gab uns der Fahrer zu verstehen, dass wir bitte aussteigen sollen, da wir doch noch Tee zusammen trinken müssen. Er führte uns zu einem Haus, wo wir sofort freundlich begrüßt wurden. Eine Frau brachte uns Obst, Kekse und Bonbons, machte Kaffee und lief noch einmal zum nächsten Laden, um uns noch mehr Kekse zu kaufen. Noch so eine Begegnung, wir konnten unser Glück kaum fassen. Wie können denn alle so nett zu uns sein? Eigentlich müssten wir doch diejenigen sein, die etwas geben. Nachdem wir einige Kekse und Äpfel vertilgt hatten, lief die Frau nochmals ins Haus und brachte uns Brot uns Käse. Offenbar wirken wir sehr verhungert…Da wir gar nicht alles essen konnten, was uns auf den Tisch gestellt wurde, wurde der Rest eingepackt und uns mitgegeben. Wahnsinn!

Zum Dritten
Wieder schwangen wir uns auf die Räder und ließen ins ein Stück rollen. Kurze Zeit später fanden wir einen kleinen Parkplatz, wo wir es noch ein letztes Mal probieren wollten bis kurz vor die Grenze zu kommen. Allerdings war es schon relativ spät und es blieb nicht mehr viel Zeit. Da es die letzten Male aber so schnell ging waren wir zuversichtlich, dass es auch noch ein weiteres Mal klappen könnte. 

Diesmal warteten wir aber länger. Auch fuhren auf diesem Teil der Straße offenbar nicht mehr so viele Autos und da es schon relativ spät war, planten wir schon unsere Übernachtung. Wir hatten uns den ganzen Tag über sehr sicher gefühlt und hätten ohne viel Angst unser Zelt aufgestellt. Und als wir gerade aufbrechen wollten, hielt mit quietschenden Reifen ein LKW neben uns. Der Fahrer erkundigte sich, wo wir hinwollten und winkte uns lächelnd zur Ladefläche. Der Container war komplett leer und auch nachdem die beiden Räder eingeladen waren, schienen sie völlig verloren in dem riesigen Raum. 

Vor Glück übersprudelnd kletterten wir in die Kabine und genossen unseren letzten Abschnitt umso mehr. Gut gefedert und endlich einmal nicht vollgeraucht fuhren wir durch mittlerweile recht grüne aber immer noch schroffe Berge. Ein weiteres Mal waren wir mehr als glücklich die Stecke motorisiert hinter uns zu bringen. Die Berge wären echt brutal gewesen. Und auch wenn es nur 230 km waren, hätten wir knappe 6000 Höhenmeter zu bewältigen gehabt. Damit wären wir locker eine Woche oder mehr beschäftigt gewesen… selbst in sicheren Zeiten wäre das eine krasse Nummer gewesen. 

So fuhren wir nun aber im LKW mit und genossen die Serpentinen und den Blick in den fantastischen Abendhimmel. Diese Aussichten werden wir mit Sicherheit nicht so schnell vergessen. Auch wenn wir sie nicht selber gefahren sind, so gehören sie mit zu dem besten unserer Tour. Die Berge sind einfach immer wieder atemberaubend. 

Der LKW Fahrer empfahl uns einige Kilometer vor unserem Zielort zu übernachten, weil dort die Möglichkeiten fürs Zelten deutlich besser waren. Dankbar dafür dass er mitdachte, kletterten wir also im letzten Tageslicht aus dem LKW und verabschiedeten unsere letzte Mitfahrgelegenheit des Tages. 

Geschafft
Wir hatten es geschafft!!! Den Tränen nahe umarmten wir uns und fanden nach kurzer Suche auch noch einen wahnsinnig schönen Schlafplatz. Unter den Sternen kochten wir uns noch etwas zu essen in fielen vollkommen überwältigt in den Schlafsack. 

Wer hätte gedacht, dass aus diesem bangen Abschnitt der Reise einer der besten Tage wird, die wir bisher erleben durften? Diese unfassbare Hilfsbereitschaft der Menschen ist sagenhaft. Wir tun uns nach wie vor sehr schwer damit uns in die Abhängigkeit anderer Menschen zu begeben und mögen es lieber alles selbst kontrollieren zu können. Trotzdem lässt es sich (viel häufiger als uns lieb ist) nicht vermeiden andere Leute um Hilfe zu fragen. Und obwohl uns die Position als Bittsteller schwer fällt und wir sie lieber vermeiden, haben wir in diesen Situationen die bisher schönsten Dinge erlebt. Irgendwie wendet sich doch meistens alles zum Guten und alles fügt sich auf magische Weise. 

In jedem Fall wird dieser Tag immer herausstechen und in Erinnerung bleiben. Alle Sorgen haben sich nach 8,5h, 230km und drei netten Fahrern in Luft aufgelöst. 

Iran
Am nächsten Tag ging’s über die Grenze in den Iran. Auch dies verlief wieder einmal problemlos und schon ging die Reise im nächsten Land weiter. Wieder einmal müssen wir alles neu lernen. Aber wieder einmal wurden wir schon vielfach unglaublich nett begrüßt. 

Auf den ersten Kilometern bekamen wir Popkorn geschenkt. Am nächsten Tag wurden wir wieder einmal ein kurzes aber steiles und extrem sandiges Stück mitgenommen, wurden zum Essen eingeladen und bekamen Tomaten und Walnüsse geschenkt. Am nächsten Tag gab es Melonen umsonst als Pausensnack und im nächsten Ort führte man uns stundenlang über den Basar, um Geld zu wechseln, Kopien zu machen und eine SIM-Karte zu kaufen. Kurz gesagt: bisher ist noch kein Tag vergangen, an dem noch nichts geschenkt bekommen haben. 

„Welcome to Iran“ hören wir jeden Tag mehrfach. Immer dem bisher gut funktionierendem Bauchgefühl folgend, schauen wir mal wohin und wie weit es uns verschlägt. 

Aufgrund der bekannten Internetthematik gibt es leider nicht so viele Updates und Fotos unsererseits (sehr schade, denn es ist wirklich auch sehr schön hier. Insbesondere die Menschen!). Wir versuchen aber uns so oft es geht zu melden. Aber bisher wurden wir gut durchgefüttert und sehr nett behandelt. Ihr könnt euch also auf neue Geschichten freuen!

 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ralf vom Berge

    Schick! :oD
    … man stelle sich das mal in Deutschland vor …

  2. Ralf vom Berge

    … was da gerade im Iran abgeht, habt ihr mitgekriegt … ? 8oO

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