Seit wir aus Tbilisi aufgebrochen sind ist es plötzlich Herbst geworden. Als wir in die Stadt rein gefahren sind, haben wir noch bei 35 Grad gehechelt. Entsprechend kurzärmlig bekleidet haben wir uns wieder in den Sattel geschwungen, nur um im Laufe des Tages immer mehr langärmlige Sachen aus der Tasche zu kramen (obwohl es mächtig bergauf ging). Die hatten sich ganz unten versteckt, da wir sie seit Monaten nicht angezogen hatten. Ein ganz komisches Gefühl wieder mit langer Hose und Jacke durch die Gegend zu fahren. Wir sahen auch ganz anders aus. In anderen Sachen hatten wir uns schon sehr lange nicht gesehen.
Wenn nass …
Mit langen Sachen bekleidet kämpften wir uns aus dem Loch in dem Tbilisi liegt. Mehr schiebend als fahrend bahnten wir uns die ersten 20km aus der Stadt heraus. Oben angekommen war es wieder herrlich. Die Landschaft war wieder hügelig und zum Teil mit Büschen durchsetzt. Anhand des Brauntons des Grases konnten wir auch dort ablesen, dass es lange nicht geregnet hatte. Aber das sollte sich nun ändern.
Die nächsten Tage war wechselhaftes Wetter angekündigt und da bekamen wir auch. Ein weiteres Erlebnis, was wir schon sehr, sehr lange nicht mehr hatten. Es fing tatsächlich an zu regnen. Damit waren wir völlig überfordert. Üblicher Weise trocknen wir Sachen hinten auf den Taschen, die wir am Tag vorher gewaschen haben. Nun mussten wir alles irgendwie wasserfest verstauen. Noch dazu kamen unsere Körper in die Situation, dass sie froren. Es war alles völlig umgekehrt zu den letzten Monaten. Nass und kalt konnten wir noch nicht. Entsprechend selbstmitleidig fuhren wir durch die Landschaft, wohlwissend wie nötig diese den Regen benötigte.
… dann kalt
Nach einer Weile erkannten wir auch die Schönheit der wabernden, tief ziehenden Wolken. Es hatte eine durchaus mystische Stimmung. Sobald wir aber Pause machten, holte uns die Realität wieder ein und wir mussten noch mehr warme Sachen aus den Tiefen der Tasche bergen. Wenn man sich nämlich nicht bewegt, wird einem sehr schnell kalt. Und obwohl wir üblicherweise unsere Pausen genießen und diese auch gerne in die Länge ziehen, zwang uns die Kälte schnell weiter. Als wir dann auch noch einen Radfahrer trafen, mit dem wir uns gerne länger unterhalten hätten, wir aber irgendwann zähneklappernd weiterfahren mussten, wünschten wir uns doch sehnlichst die Hitze zurück. Verrückt wie schnell das ging!
Wir haben nun also gelernt wie viel Glück wir bisher mit dem Wetter hatten. Es war vorher bis auf wenige Ausnahmen fast nie nass. Uns sobald alles nass ist, ist alles viel komplizierter und vor allem kälter. Glücklicherweise hatte das Wetter schnell Erbarmen mit uns. Vermutlich konnten die Wolken es nicht ertragen wie wir da vor uns hinlitten. Die Temperaturen blieben trotzdem relativ niedrig, sodass nun also auch die langen Klamotten einmal längerfristiger zum Einsatz kamen. Aber die Sonne lachte wieder auf uns herab.
Wind
Einige Tage nach Tbilisi fanden wir uns in einer wunderschönen Vulkanlandschaft wieder, von deren Anblick wir gar nicht genug bekommen können. Dieser Weitblick auf die Hügel und Vulkane ist wirklich Wahnsinn. Wahnsinn ist allerdings auch, wie viel windiger diese „nackte“ Landschaft ist. Und das wiederum führte zu einem weiteren Problem, von dem wir schon in der Türkei sensibilisiert wurden: Einen guten windgeschützten Schlafplatz zu finden, war gar nicht so einfach. Wenn es zu windig ist, ist es äußerst unangenehm das Zelt aufzustellen und vor allem auch dann darin zu schlafen. Da wir mittlerweile ja aber Profis sind, fanden wir natürlich immer etwas. Aber es war manchmal gar nicht so einfach.
Unerwünschte Überraschung
An der Grenze zu Armenien mussten wir erstmal den Inhalt unserer Taschen offenbaren. Die Grenzbeamten waren aber schnell überzeugt, dass wir offenbar nichts schmuggeln, sodass sie uns nach jeweils einer Tasche pro Person weiter winkten. So kamen wir wieder einmal problemlos im nun schon 11. Land der Reise an.
Mit Armenien habe wir nun erstmals ein Land mit wirklich ziemlich schlechten Straßen. Sie sind ziemlich durchlöchert, sodass man mehr Zeit damit verbringt auf die Straße als auf die Landschaft zu schauen. Das gute daran ist aber, dass die Autos hier deutlich langsamer fahren.
In jedem neuen Land ist eine der ersten Aufgaben eine SIM-Karte zu organisieren. In Armenien war das ziemlich einfach, da es sogar in kleinen Orten kleine Mini-Läden gibt, die SIM-Karten verkaufen. Wieder einmal zahlten wir sehr wenig Geld für unbegrenztes Datenvolumen, nur um dann mit Schrecken festzustellen dass es an der Grenze zwischen Armenien und Azerbaijan wieder einmal Kriegshandlungen gab. Das war natürlich erst einmal ein Schock. Verrückter Weise hatten wir, obwohl wir schon im Land waren, nichts davon mitbekommen. Und auch die nächsten Tage sollte das so bleiben. Wenn wir nicht gewusst hätten, dass es Anschläge gab, hätten wir es nicht bemerkt. Wir beschlossen also erst einmal in die Hauptstadt nach Jerewan zu fahren und uns dort neu zu sortieren. Von dort kommen wir zur Not am schnellsten wieder weg war unser Gedanke.
Vulkane und Armenier
Der Weg dorthin war landschaftlich weiterhin wunderschön. Einen Großteil der Zeit staunt man über die mächtigen Riesenvulkane Arargats und Ararat. Es sind einfach gigantische Kegel, die in die Landschaft ragen. Auch die Menschen in Armenien sind weiterhin sehr nett. Etwas reservierter als in Georgien und vielleicht nicht ganz so offen, aber nach wie vor werden wir viel gegrüßt, uns wird gewunken und wir werden auf einen Schnaps oder eine Melone eingeladen. Nur gehupt wird nicht mehr so viel und das ist großartig! Auffällig ist, das hier wirklich vieles Russisch ist. Augenscheinlich natürlich die Autos, aber auch sonst wird die Sprache deutlich mehr verwendet, als in den bisher von uns durchfahrenen ehemaligen Sowjetstaaten. Wir werden auch fast immer auf Russisch angesprochen, was eigentlich total nett ist. Die Menschen erkennen, dass wir wohl kein armenisch sprechen werden. Das war in den Ländern zuvor häufig nicht der Fall. Dumm nur, dass unsere Kenntnisse in Russisch in etwa so gut ausgeprägt sind wie die der armenischen Sprache. Immerhin können wir das kyrillische Alphabet mittlerweile in Ansätzen entziffern. Wobei uns auch das nur selten weiterhilft. Mittlerweile sind wir es ja aber gewohnt uns mit Händen und Füßen verständlich zu machen.
An dieser Stelle vielleicht mal wieder ein Appell an euch: wenn ihr einen nicht bzw. wenig deutsch sprechenden Menschen trefft, seid bitte nett und grenzt die Person nicht aus. Es fühlt sich ziemlich blöd an nichts verstehen zu können. Wir sind immer sehr interessiert daran einige Wörter oder Phrasen von Einheimischen zu lernen. Und ich bin mir sehr sicher, dass es vielen Menschen außerhalb ihres Heimatlandes so geht. Sprache ist Macht. Und Macht sollte immer geteilt werden!
Entscheidungen und Optionen
Nun sind wir in Jerewan und wissen immer noch nicht, was wir machen. Zum größten Teil liegt das aber daran, dass wir noch immer nicht wissen, ob wir ein Visum für den Iran bekommen oder nicht. Sobald wir darüber Bescheid wissen, können wir planen.
Sollten wir es nicht bekommen sind wir vermutlich gezwungen jetzt schon ins Flugzeug zu steigen, um weiter zu kommen. Armenien ist nämlich eine ziemlich Sackgasse. Wohin wir dann fliegen ist noch einmal eine andere Frage…derzeit ist keine unserer Ideen irgendwie besonders sinnvoll.
Sollten wir eine Zusage bekommen gibt es die Optionen so schnell wie möglich durch Armenien zu fahren (Bus etc.), um innerhalb eines Tages an die Grenze zum Iran zu kommen. Oder wir fahren zurück nach Georgien, von da in die Türkei und von dort aus dann in den Iran, was aber ca. 800km Umweg sind…
Aber so lange wir nichts wissen, werden wir uns wohl in Geduld üben müssen. Bisher haben wir es immer genossen ein paar Tage irgendwo pausierend zu verbringen. Diesmal sitzen wir aber doch auf heißen Kohlen und würden lieber schnell weiter, als unwissend Zeit totzuschlagen und Geld für eine Unterkunft auszugeben, in der wir eigentlich gar nicht so lange bleiben wollen. Schauen wir mal. Wir werden nichts Unüberlegtes tun und sobald uns die Situation nicht geheuer scheint, werden wir schnellstmöglich den Rückzug antreten. Schließlich wollen wir noch eine Weile durch die Welt fahren. Dafür brauchen wir uns und unsere Fahrräder noch gesund und munter 🙂
Wieder ein schöner Bericht…wie schön, dass es euch gut geht.Auch in Deutschland ist es kalt geworden… haltet die Ohren steif….Liebe Grüße aus Minden Eike und Ingrid
Passt gut auf Euch auf, da kommt wohl noch mehr:
The NA Vice President presented details to the Ambassador on the offensive launched by the Azerbaijani armed forces on 13 September. He added that there is reliable evidence that Azerbaijan is preparing a new attack, broadening the geography, including by Nakhichevan, encroaching against the territorial integrity of Armenia.
https://news.am/eng/news/721010.html
Jepp – irgendwie scheint die ganze Ecke da langsam zu einem trockenen Pulverfaß zu mutieren, und die Lunte britzelt schon …
Per Flugzeug weiter gen Osten? Über das Kaspische Meer und dann vielleicht von Turkmenistan bis in die Mongolei?
Ein schöner Reisebericht der am Ende aber sehr nachdenklich wegen der
weiteren Reiseplanung macht. Der Iran scheint zur Zeit auch nicht gerade friedlich zu sein. Erst am Ende weiß man welcher Weg der richtige war. Euch noch eine schöne Tour .
Mal wieder schön von euch mit längeren Beschreibungen zu hören. Vor allem vom Gefühl Gast zu sein und mit Neugier begegnet zu werden. Anke und ich sind auf den Weg nach Portugal und wollen mit Rad Richtung Norden nach Galizien fahren. Die meteorologische und politische Großwetterlage ist dort nicht so ungewiss wie bei euch. Danke für eure Mühe, eure Reise mit Worten und Bildern zu teilen!